Kolonialer Rassismus, Artikel aus der "jungen Welt" vom 23.01.2009
Für Israels Sicherheit wird arabisches Leben entwertet. Wenn Linke sich nicht positionieren, verlieren sie das moralische Zentrum ihre Politik: auf seiten der Unterdrückten zu stehen
Von Pedram Shahyar
Wo sind die Linken in Deutschland? Während in London, Madrid, Paris, Athen und Oslo zusammen bis zu einer Million Menschen gegen den verbrecherischen Krieg in Gaza demonstrierten, blieben hierzulande die palästinensischen und anderen migrantischen Gemeinden unter sich, als sie in den vergangenen Wochen ihre Wut und Verzweiflung auf die Straße trugen. Am 11. Januar kam es noch dicker: Während die israelische Luftwaffe Krankenhäuser und UN-Quartiere bombardierte, sprach der Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, eingebettet in einer Allparteienkoalition, auf einer proisraelischen Kundgebung.
Gaza ist ein Signum für eine neue Qualität imperialer Barbarei. Es ist nicht allein die Zahl der über 1300 Getöteten und 5000 Verletzten, die das Erschreckende dieses Krieges ausmacht – es ist die Art, wie dieser Feldzug seitens des israelischen Staates durchgeführt wurde, es ist die Abrieglung eines Kriegsgebietes. Dies hat nicht nur die humanitäre Katastrophe massiv verschärft, sondern den Menschen jede Möglichkeit geraubt, vor diesem Krieg zu fliehen. Vor einem Krieg, bei dem es keine Flüchtlinge gibt. Gaza gleicht bis heute einem Lager, aus dem niemand raus kommt. Faktisch alle 1,5 Millionen Palästinenser sind Kriegsziel.
Die Operation »Gegossenes Blei« sei eine »Verteidigungsaktion«, lautet mantragleich die Rechtfertigung der israelischen Seite, die vom gesamten westlichen Block übernommen wird. Doch auch wenn die Kassam-Raketen der Hamas sicher ein Problem waren, der Grund für diesen Krieg läßt sich darin nicht finden. Der israelische Friedensakti vist Uri Averny sieht den Feldzug im Kontext der anstehenden Wahlen in seinem Land. Die aktuell erschreckende antihumane Brutalität in der israelischen Gesellschaft findet ihren Ausdruck darin, daß die Regierungsparteien laut Umfragen den rechtsstehenden Likud überflügelt haben. Nimmt man die Argumentation der israelischen Seite ernst und denkt sie konsequent zu Ende, dann sind die unzähligen unschuldigen Opfer auf der palästinensischen Seite der Preis, der für die israelische Sicherheit nun einmal bezahlt werden muß. Hier wird offen arabisches Leben gegenüber israelischem entwertet – das ist nichts anderes als kolonialer Rassismus. In den MigrantengemeindenWesteuropas ist dies genau wahrgenommen worden, was die enorme Mobilisierung in den vergangenen Wochen erklärt.
In dieser Gemengelage hat man eine klare Stellungnahme, geschweige denn eine entschlossene Praxis der deutschen Linken vermißt. Sicher, es gibt das reale Problem, daß im Zuge von Konflikten, an denen Israel beteiligt ist, der Antisemitismus in Lauerstellung liegt. Die Linken hierzulage haben in dieser Frage eine historisch bedingte hohe Sensibilität. Daß diese auch notwendig ist, zeigt die Zunahme der antijüdischen Übergriffe während des Krieges z.B. in Frankreich. Es besteht die Gefahr, daß wegen der Verbrechen des jüdischen Staates ein Klima entsteht, in dem reaktionäre Kräfte wachsen und emanzipatorische Kräfte an Relevanz verlieren. Natürlich dürfen die Linken sich nicht »für« Hamas positionieren, sie müssen aber »gegen« das imperiale Projekt des Westens kämpfen. Bei aller Komplexität gibt es eine einfache Tatsache: Es ist der Westen, der den Nahen Osten seit Dekaden mit Krieg und Besatzung überzieht. Es ist der Westen, der überall Militärbasen und Marionettenregierungen installiert hat. In diesen westlichen Block und in dessen imperiale Politik ist das Handeln des israelischen Staates eingebettet. Solange diese Fremdherrschaft und Dominanz nicht aufhört, wird es keinen Frieden geben. Wenn Linke sich nicht eindeutig gegen das imperiale Projekt stellen, verlieren sie neben dem Analytischen auch das moralische Zentrum ihrer Politik: auf der Seite der Unterdrückten zu stehen.
In den migrantischen Gemeinden ist die Wut groß, und sie ist legitim angesichts des Leides in Gaza. Das Verhalten der westlichen Politiker, ihre Positionierung auf seiten Israels und ihre rassistisch konnotierten Doppelstandards haben den Unmut verstärkt und radikalisiert.
Die Linke ist dringend aufgefordert, ihre Blockade zu lösen. Sie muß die Kraft sein, die den Konflikt im Nahen Osten zu säkularisieren hilft – weg von religiösen und ethnischen Merkmalen – hin zu einer politischen Auseinandersetzung um Fragen der Klasse, imperialen Herrschaft und Macht. Gelingt es, ein progressives antiimperiales Lager mächtig und sichtbar zu machen, wird das nicht nur in den migrantischen Gemeinden Widerhall finden, sondern auch den emanzipatorischen Kräften im Nahen Osten einen Rückenwind zu geben, den diese so dringend brauchen.
Der Autor ist Aktivist der globalisierungskritischen Bewegung
Solidarität mit Palästina
Am Samstag den 17.1. beteiligte sich die SDAJ an der mitlerweile 3. Solidaritätsdemonstration gegen das Massaker in Gaza. Als wir ankamen wurde eines leider gleich klar, dass außer der DKP, MLPD und einigen Linksradikalen, die münchener Linke sich nicht an der Demonstration beteiligte. Die Demonstration begann mit einer Kundgebung am Sendlinger Tor Platz, wo wir uns mit anderen Linken hinter dem DKP/SDAJ Transpi „Stop den Krieg – Existenzrecht für Palästina und Israel“ sammelten.
Als die Demonstration los zog war die Menschenmenge auf gut 3000 Personen angewachsen und lief los Richtung Isartor. Sprechchöre wurden von Lautiwagen von 3 jungen Frauen vorgegeben und sind hier eine erwähnung wert, da es keinerlei Religiöse Sprüche waren und viele gute dabei wie z.B. „Hoch die internationale Solidarität“ oder „Israel bombardiert – Deutschland finanziert“. Wir bildeteten auf der Demo zusammen mit der DKP, anderen linken und vielen palästinensischen Jugendlichen einen Block hinter dem Lautsprecherwagen. Die Stimmung war kraftvoll, wenn man sich auch bewusst war, dass wir viel zu wenige waren um effektiv dem Krieg in Gaza entgegen zu wirken. Wir ließen uns auch nicht davon abhalten das irgendein reaktionärer Depp Obst aus dem 4. Stock auf die Demo warf.
Die Abschlusskundgebung der Demo fand dann auf dem Marienplatz statt, wo noch einige Reden gehalten wurden. Wir werden Samstag den 24. wieder dabei sein, da wir es als unsere Pflicht sehen als konsequente KriegsgegnerInnen sowohl gegen den Krieg in Gaza, als auch gegen die israelische Blockade auf die Straße zu gehen.
Von Pedram Shahyar
Wo sind die Linken in Deutschland? Während in London, Madrid, Paris, Athen und Oslo zusammen bis zu einer Million Menschen gegen den verbrecherischen Krieg in Gaza demonstrierten, blieben hierzulande die palästinensischen und anderen migrantischen Gemeinden unter sich, als sie in den vergangenen Wochen ihre Wut und Verzweiflung auf die Straße trugen. Am 11. Januar kam es noch dicker: Während die israelische Luftwaffe Krankenhäuser und UN-Quartiere bombardierte, sprach der Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, eingebettet in einer Allparteienkoalition, auf einer proisraelischen Kundgebung.
Gaza ist ein Signum für eine neue Qualität imperialer Barbarei. Es ist nicht allein die Zahl der über 1300 Getöteten und 5000 Verletzten, die das Erschreckende dieses Krieges ausmacht – es ist die Art, wie dieser Feldzug seitens des israelischen Staates durchgeführt wurde, es ist die Abrieglung eines Kriegsgebietes. Dies hat nicht nur die humanitäre Katastrophe massiv verschärft, sondern den Menschen jede Möglichkeit geraubt, vor diesem Krieg zu fliehen. Vor einem Krieg, bei dem es keine Flüchtlinge gibt. Gaza gleicht bis heute einem Lager, aus dem niemand raus kommt. Faktisch alle 1,5 Millionen Palästinenser sind Kriegsziel.
Die Operation »Gegossenes Blei« sei eine »Verteidigungsaktion«, lautet mantragleich die Rechtfertigung der israelischen Seite, die vom gesamten westlichen Block übernommen wird. Doch auch wenn die Kassam-Raketen der Hamas sicher ein Problem waren, der Grund für diesen Krieg läßt sich darin nicht finden. Der israelische Friedensakti vist Uri Averny sieht den Feldzug im Kontext der anstehenden Wahlen in seinem Land. Die aktuell erschreckende antihumane Brutalität in der israelischen Gesellschaft findet ihren Ausdruck darin, daß die Regierungsparteien laut Umfragen den rechtsstehenden Likud überflügelt haben. Nimmt man die Argumentation der israelischen Seite ernst und denkt sie konsequent zu Ende, dann sind die unzähligen unschuldigen Opfer auf der palästinensischen Seite der Preis, der für die israelische Sicherheit nun einmal bezahlt werden muß. Hier wird offen arabisches Leben gegenüber israelischem entwertet – das ist nichts anderes als kolonialer Rassismus. In den MigrantengemeindenWesteuropas ist dies genau wahrgenommen worden, was die enorme Mobilisierung in den vergangenen Wochen erklärt.
In dieser Gemengelage hat man eine klare Stellungnahme, geschweige denn eine entschlossene Praxis der deutschen Linken vermißt. Sicher, es gibt das reale Problem, daß im Zuge von Konflikten, an denen Israel beteiligt ist, der Antisemitismus in Lauerstellung liegt. Die Linken hierzulage haben in dieser Frage eine historisch bedingte hohe Sensibilität. Daß diese auch notwendig ist, zeigt die Zunahme der antijüdischen Übergriffe während des Krieges z.B. in Frankreich. Es besteht die Gefahr, daß wegen der Verbrechen des jüdischen Staates ein Klima entsteht, in dem reaktionäre Kräfte wachsen und emanzipatorische Kräfte an Relevanz verlieren. Natürlich dürfen die Linken sich nicht »für« Hamas positionieren, sie müssen aber »gegen« das imperiale Projekt des Westens kämpfen. Bei aller Komplexität gibt es eine einfache Tatsache: Es ist der Westen, der den Nahen Osten seit Dekaden mit Krieg und Besatzung überzieht. Es ist der Westen, der überall Militärbasen und Marionettenregierungen installiert hat. In diesen westlichen Block und in dessen imperiale Politik ist das Handeln des israelischen Staates eingebettet. Solange diese Fremdherrschaft und Dominanz nicht aufhört, wird es keinen Frieden geben. Wenn Linke sich nicht eindeutig gegen das imperiale Projekt stellen, verlieren sie neben dem Analytischen auch das moralische Zentrum ihrer Politik: auf der Seite der Unterdrückten zu stehen.
In den migrantischen Gemeinden ist die Wut groß, und sie ist legitim angesichts des Leides in Gaza. Das Verhalten der westlichen Politiker, ihre Positionierung auf seiten Israels und ihre rassistisch konnotierten Doppelstandards haben den Unmut verstärkt und radikalisiert.
Die Linke ist dringend aufgefordert, ihre Blockade zu lösen. Sie muß die Kraft sein, die den Konflikt im Nahen Osten zu säkularisieren hilft – weg von religiösen und ethnischen Merkmalen – hin zu einer politischen Auseinandersetzung um Fragen der Klasse, imperialen Herrschaft und Macht. Gelingt es, ein progressives antiimperiales Lager mächtig und sichtbar zu machen, wird das nicht nur in den migrantischen Gemeinden Widerhall finden, sondern auch den emanzipatorischen Kräften im Nahen Osten einen Rückenwind zu geben, den diese so dringend brauchen.
Der Autor ist Aktivist der globalisierungskritischen Bewegung
Solidarität mit Palästina
Am Samstag den 17.1. beteiligte sich die SDAJ an der mitlerweile 3. Solidaritätsdemonstration gegen das Massaker in Gaza. Als wir ankamen wurde eines leider gleich klar, dass außer der DKP, MLPD und einigen Linksradikalen, die münchener Linke sich nicht an der Demonstration beteiligte. Die Demonstration begann mit einer Kundgebung am Sendlinger Tor Platz, wo wir uns mit anderen Linken hinter dem DKP/SDAJ Transpi „Stop den Krieg – Existenzrecht für Palästina und Israel“ sammelten.
Als die Demonstration los zog war die Menschenmenge auf gut 3000 Personen angewachsen und lief los Richtung Isartor. Sprechchöre wurden von Lautiwagen von 3 jungen Frauen vorgegeben und sind hier eine erwähnung wert, da es keinerlei Religiöse Sprüche waren und viele gute dabei wie z.B. „Hoch die internationale Solidarität“ oder „Israel bombardiert – Deutschland finanziert“. Wir bildeteten auf der Demo zusammen mit der DKP, anderen linken und vielen palästinensischen Jugendlichen einen Block hinter dem Lautsprecherwagen. Die Stimmung war kraftvoll, wenn man sich auch bewusst war, dass wir viel zu wenige waren um effektiv dem Krieg in Gaza entgegen zu wirken. Wir ließen uns auch nicht davon abhalten das irgendein reaktionärer Depp Obst aus dem 4. Stock auf die Demo warf.
Die Abschlusskundgebung der Demo fand dann auf dem Marienplatz statt, wo noch einige Reden gehalten wurden. Wir werden Samstag den 24. wieder dabei sein, da wir es als unsere Pflicht sehen als konsequente KriegsgegnerInnen sowohl gegen den Krieg in Gaza, als auch gegen die israelische Blockade auf die Straße zu gehen.
sdaj.muc - 17. Jan, 19:43